Mittwoch, 14. Juli 2010

Der S-Bahn-Held und die Musterprozesse

Gerade ist der Prozess gegen die S-Bahn-Schläger, die den sog. S-Bahn-Helden Brunner totgeprügelt hatten. Die Täter hatten vorher in der SBahn von Schülern versucht Geldbeträge von 15€ bis 30 € durch Gewaltandrohung zu erpressen. Nachdem sich Brunner vor die Opfer gestellt, die Polizei angerufen und nach dem Ratschlag der Notrufstelle mit den Schülern die S-Bahn verlassen hatte, um auf die Polizei zu warten, war er von den Tätern weiter belästigt, angegriffen und dann totgeschlagen worden.

Bei den Verteidigern der Schläger kreisen jetzt brisante rechtliche Einschätzungen und Musterurteile herum, die das Rechtsempfinden normaler Bürger sicher erschüttern würden und Zivilcourage sicher endgültig beenden würde, wenn jemand die wahre Rechtslage kennen würde. Die Musterurteile und Einschätzungen sind ausdrücklich auf andere Fälle bezogen, die nach Juristeneinschätzung absolut oder zumindest teilweise vergleichbar zu dem Fall Brunner sind.

Beispiele:

1.
35 Musterurteile und 127 rechtliche Einschätzungen gehen um das Thema Schutzgelderpressung / Handy wegnehmen / Prügeleien um Geld zu erzwingen - unter Jugendlichen. Diese Urteile bestätigen alle den Tenor, bei Geldgeschäften unter Schulkindern handle es sich um Geldgeschäfte unter Jugendlichen; Erwachsene müssten sich da heraushalten. Diese Geschäfte sollten allerdings "Taschengeldniveau" haben. Darunter versteht man im Schnitt Geldbeträge unter 100€, bei Handys kann es schon mal mehr sein. Erziehungsberechtigte müssen sogar die Gebühren der Handys ihrer Kinder bezahlen, wenn diese "Geschäften unter Jugendlichen" zum Opfer fielen.

2.
Erwachsene dürfen bei Angriffen von Jugendlichen nicht zurückschlagen. Empfindliche Freiheitsstrafen drohen. Rechtliche Empfehlungen raten, sich zu Boden fallen zu lassen und den Kopf zu schützen - das echte Risiko sich zu verletzen sei ja gering nach allgemeiner Gutachtermeinung. Bei Bruner und einigen anderen Fällen war das Risiko dann doch etwas höher gewesen, aber die allgemeinen Gutachtermeinungen sind da noch nicht nachgekommen. Sie bescheinigen einem Erwachsenen, der auch nur stehenbleibt oder die Arme hebt um den Kopf zu schützen eine Mitschuld, Kinder geschlagen zu haben.

3.
Bei Jugendlichen gibt es bei Schlägereien eigentlich keine Möglichkeit, einen Mord nachzuweisen. Jugendliche können angeblich nicht die Wirkung und die Folgen von Schlägen so einschätzen wie Erwachsene.

4.
Jugendgerichte erfolgen grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur bei Zustimmung der Angeklagten kann ein Jugendprozess doch öffentlich gemacht werden. In diesem Fall müssen die angeklagten Jugendlichen (bzw. ihr Anwalt) jeder vom Gericht an die Öffentlichkeit herausgegebenen Information zustimmen und können die Bedingungen für die Reporter im Gerichtssaal weitgehend bestimmen. In der Praxis wird das so genutzt, daß die Angeklagten alles negative über die Opfer in die Presse weiterleiten können, aber alles negative über sich selbst von der Öffentlichkeit fernhalten können.

Ein Jugendlicher fasste das bei einem Musterprozess mal kurz und bündig zusammen, als er zu einem erwachsenen Zeugen vor der Verhandlung sagte: "Muss du aufpassen; Ich kriege alles raus, wie du heißt wo du wohnst, aber du darfst nix über mich wissen. Und 2,3 Jahre sind auch keine Zeit. Klar daß da die Zeugenaussagen oft sehr unsicher und verallgemeinernd ausfallen.

Eines ist sicher: Am Ende des Verfahrens wird ein Urteil stehen, dessen Begründung und dessen Wortlaut die Öffentlichkeit auch nur teilweise erfahren darf; Sondern nur wieder über die Täter bzw. deren Anwalt.

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