Montag, 16. Juni 2014

Nonsens-Streit: Haben russische Partisanen im 2. Weltkrieg falsch abgerechnet????

Ein neuer Streit, der die schon angespannten Beziehungen von Russland zu Deutschland belastet, wird mal wieder genau auf Ossi-Niveau geführt: Habe russische Partisanen im 2. Weltkrieg zu hohe Erfolgszahlen geliefert und übertriebene Zahlen getöteter Deutscher angegeben? Das behauptet jedenfalls Sebastian Stopper in seiner Doktorarbeit und in verschiedenen Büchern.

Tatsächlich stellt Stopper hier Zahlen von internen deutschen Wehrmachtsberichten, die er als richtig erachtet, mit den Berichten russischer Partisanen an Stalin gegenüber; Er schlussfolgert, die Partisanenzahlen seien übertrieben. Ebenso rührt er an bisher geltenden offiziellen Zahlen, die bei mir als Wessi schon ein unangenehmes Bauchgefühl verursachen, ob das nicht bereits etwas in Richtung Holokaustverleugnung geht.


  • Was ich jedenfalls ad hoc feststellen kann ist, daß Stoller einige offensichtliche wissenschaftlich-historische Fehler macht, indem er im Grunde Äpfel mit Birnen vergleicht, wenn er deutsche Gefallenanzahlen mit den Partisanenzahlen von getöteten "Hitleristen" vergleicht. Unter "Hitlerist" verstanden die Partisanen nicht nur Deutsche, sondern auch Einheimische, die auf Seiten der Deutschen kämpften. Von den Deutschen waren nämlich auch viele Einheimische rekrutiert worden, bei vielen Kämpfen waren mehr Einheimische als Deutsche auf Seiten der Deutschen im Einsatz, durchaus auch bewaffnet. Insofern erscheinen mir die hohen Zahlen, die die Partisanen registriert hatten, von getöteten Hitleristen durchaus plausibel. Zum zweiten ist durchaus bekannt, daß die Wehrmacht auf dem Rückzug nur noch Zahlen von toten Deutschen registriert hatte.

  • Der zweite Punkt, den Stoller hier ausserachtläßt, ist daß viele Deutsche als auch Nichtdeutsche Nazis auf dem Rückzug falsche Ausweise hatten, oft von toten gefallenen Soldaten entwendet. Bekannt, teilweise sogar verfilmt, sind auch Geschichten wo deutsche Soldaten den Ausweis eines gefallenen Generals o.ä. an sich genommen und dann nach dem Krieg unter falschen Namen weitergelebt hatten. So kann es sogar gut sein, daß die Partisanen einen General getötet haben, der angeblich in seinem Heimatdorf begraben sein soll. Den Partisanen unlautere Erflolgsmeldungen zu unterstellen, indem man in Österreich einen Grabstein findet, der den von Partisanen angeblich getöteten Gereral darstellen soll, ist insofern lächerlich. Als letzten Punkt muss ich sogar anfügen, daß in der Regel mindestens 20 % ( bei Katastrophen wie Hamburg oder Dresden angeblich sogar bis zu 80 %) aller Kriegsgräber nicht die Leiche des auf dem Grabstein ausgewiesenen Toten enthalten, sondern oft auch nur symbolische persönliche Dinge, falls die Leiche nicht mehr nach Deutschland zurückgeführt werden konnte. Auch aus dieser Sicht der Dinge ist die Veröffentlichung eines Grabsteines nicht beweiskräftig gegenüber Partisanenmeldungen.

  • Auch Stoppers Recherchen zu Partisanenüberfällen auf die Nazi-Bahnlinien ziehen falsche Schlussfolgerungen:  Zum einen ist es einfach falsch zu denken, die Anzahl gelieferter Minen und Sprengladungen müssten mit den von der deutschen Wehrmacht registrierten Zugunfällen übereinstimmen. Minen und Sprengladungen wirkten auf die Schienen sehr schlecht - der massive Stahl der Schienen wurde meist von dem Sprengladungen nicht beschädigt. Es ist bisher auch schon durchaus bekannt, daß die Partisanen meist die Schienen schön sauber per Hand mit einer Metallsäge durchsägten und etwa 20 Schienenbefestigungsschrauben schön mit dem Schraubenschlüssel lockerschrauben mussten, um Schienen zu sabotieren. Im Bereich von Weichen genügte meist schon ein Holzkeil in der Weichenzunge. Ansonsten wurden die Schienen auch eher mit einer Technik sabotiert, die man heute unter Castor-Gegnern als "schottern" bezeichnet - also einfach das weggraben oder unterhöhlen des Schotterbettes. Sprengladungen und Minen benutzten Profi-Partisanen eher zur Ablenkung der SS, zum Freihalten von Fluchtwegen oder teilweise auch nur zur Warnung, wenn sie einen Zug anhalten und ausrauben wollten.


Insofern ist es von Stopper wirklich absurd und lächerlich, wenn er die ehrenrührige Schlussfolgerung zieht, die russischen Partisanen hätten falsche Erfolgsmeldungen gemeldet. Zuletzt möchte ich da noch anmerken, daß es als Gegenbeispiel beim französischen Untergrund offiziell kaum sichere Zahlen über Partisanenaktionen und Erfolge gibt. Offizielle Begründung: Partisanen haben halt keine geregelte Abrechnungen von Opferzahlen.


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